Notenedition: Agnes Tyrrell (1846-1883)

Kyra Steckewehs intensive Auseinandersetzung mit den Werken von Komponistinnen der Musikgeschichte umfasst immer auch die Suche nach Autographen und anderen Quellen. Da viele Werke nicht verlegt sind oder manchmal nur wenig zuverlässige Ausgaben vorliegen, ist dies für Kyra Steckeweh ein essentieller Bestandteil ihrer Arbeit als Pianistin.
Bei der Komponistin Agnes Tyrrell stieß sie auf eine große Anzahl unveröffentlichter, hochinteressanter Klavierwerke und beschloss, einige davon selbst herauszugeben.
Agnes Tyrrell wurde 1846 in Brünn geboren, verstarb aufgrund einer Herzerkrankung bereits 1883, mit nur 36 Jahren. In dieser kurzen Lebenszeit komponierte sie jedoch zahlreiche Werke unterschiedlichster Gattungen - darunter eine Sinfonie, zwei Ouvertüren, eine Oper, Chorwerke, Kammermusik, sowie Lieder und Klavierwerke.
Sie stammte aus einer intellektuell geprägten, bürgerlichen Familie mit väterlicherseits englischen und mütterlicherseits tschechischen Wurzeln. Bereits im Alter von 16 Jahren studierte sie für kurze Zeit am „Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde“ in Wien und hatte dort Unterricht im Fach Klavier. Doch schon damals zeigten sich bei ihr gesundheitliche Probleme, weswegen eine Virtuosinnenlaufbahn ausgeschlossen war. Sie fokussierte sich auf die Komposition eigener Werke.
Bis heute sind nur wenige ihrer Werke im Druck erschienen. Mit ihrer Edition macht Kyra Steckeweh eine Auswahl bemerkenswerter Klavierwerke Agnes Tyrrells erstmalig zugänglich. Die Edition ist im Dezember 2021 beim Musikverlag Ries & Erler erschienen und umfasst folgende Werke:
- Allegro di bravura op. 9
- Impromptu I. pour le piano op. 11
- Impromptu II. pour le piano op. 12
- Vier Albumblätter op. 18
- Lied ohne Worte für das Pianoforte op. 23
- Impromptu Nr. 3 für das Pianoforte op. 32(a)
- Sechs Charakterstücke für das Klavier op. 32(b)
- Clavierstück op. 67
- Fantasiestück Nr. 1 WoO
- Fantasiestück Nr. 2 WoO
- Fantasiestück Nr. 3 WoO
- Rapsodie Nr. 1 WoO
- Rapsodie Nr. 2 WoO
Wer Agnes Tyrrells anspruchsvolle und sehr pianistisch erfundene Klaviermusik spielen möchte, sollte also mit Brahms und Schumann ebenso vertraut sein wie mit Liszt. Die vorliegende Edition bietet alles, was man für ein solches Vorhaben braucht: einen gut lesbaren Notentext und einen kritischen Apparat, der verlässlich über Quellen und editorische Details informiert. Pianistinnen und Pianisten, die in der Lage sind, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, sollten sich unbedingt die Klaviermusik von Agnes Tyrrell vornehmen. (Robert Nemecek, Piano News 3/2022)

Kyra Steckewehs Vorarbeit für diese Edition wurde unterstützt durch das Stipendium "Denkzeit" der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen (August/September 2020) und durch das Stipendienprogramm des Musikfonds im Rahmen von "Neustart Kultur" (November 2020 bis April 2021).

Projektförderung für Notenedition

Agnes Tyrrell (1846-1886) gehört zu einer ganzen Reihe historischer Komponistinnen, die bis heute auf ihre Wiederentdeckung warten. In ihrer Heimatstadt Brünn (heute: Brno) war sie eine Berühmtheit, doch alle ihre Bemühungen über Brünn hinaus bekannt zu werden scheiterten. Zu ihren Lebzeiten erschienen nur wenige ihrer Werke im Druck.
Anlässlich des 50. Jubiläums der Städtepartnerschaft Leipzig-Brno sollen nun im Herbst 2023 am Gewandhaus Chorwerke von Agnes Tyrrell erstmalig aufgeführt werden. Doch zuvor müssen diese Werke noch erschlossen werden. In Vorbereitung auf das Konzert mit dem GewandhausChor unter der Leitung von Gregor Meyer wird die Pianistin Kyra Steckeweh daher die Handschriften der Chorwerke als Notenedition herausgeben. Sie wird die Quellen in Brno sichten und digitalisieren, um sie dann mithilfe einer Notensatz-Software in moderne Notenschrift zu übertragen. Dadurch kann 140 Jahre nach dem Tod der Komponistin ihre fantasievolle Chormusik endlich aufgeführt werden.